Jungbrunnen

Der „Jungbrunnen“ ist ein weiterer Aberglaube aus dem Mittelalter, der bis in die heutige Zeit durch Sprichwörter und entsprechende Vorstellungsbilder überlebt hat. Eine bildliche Darstellung vom Jungbrunnen finden wir im Spätmittelalter und in der frühen Renaissance in den Gemälden deutscher und italienischer Meister wie Hieronymus Bosch, Hans Sebald oder Mauricio Nanucci, die – oft verbunden mit einer idyllischen Darstellung des Paradieses – einen Brunnen zeichnen, in den alte Menschen eintauchen und verjüngt wieder emporsteigen. Diese Vorstellung vom wundertätigen, die Jugend erneuernden Wasser in einem Brunnen bedient gleich mehrere Mythologien, die im christlichen Europa, aber auch in anderen Kulturen verankert zutiefst sind. Das Wasser als lebensspendendes und verjüngendes Element ist ein zentrales Element im christlichen Glauben, wo man durch das Sakrament der Taufe in den heiligen Bund mit Jesus Christus und der Kirche eingehen und dadurch „wiedergeboren“ werden soll. Doch das Wasser als Leben spendendes Element taucht auch in den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht auf und hat im Islam eine ähnlich zentrale Bedeutung, wie auch die hochentwickelte arabische Kunst der Gärten offenbart, die eine zentrale Achse mit Wassergestaltung haben, welche das Leben repräsentiert.

Ewig jung zu sein, sei es durch ein zauberkräftiges Wasser oder durch okkulte Präparate, war auch ein Bemühen der Alchemisten im Mittelalter und der magisch wirkenden Daoisten im alten China, die nach der „Unsterblichkeitspille“ suchten – freilich, ohne sie zu finden. Der Jungbrunnen soll nun ein Gesamtbild dessen sein, was sich Menschen in Ost und West, Orient und Okzident seit langer Zeit erträumen: ewig jung zu sein, im Geiste und im Körper. Letzteres machen sich heute die Versprechungen der Anti-Aging-Industrie zugute. Doch das Urbild des Jungbrunnens ist eine zutiefst in Traditionen verwurzelte, judäochristliche Vorstellung mit mythologischen Anteilen – der Mythologie von der ewig jungen Seele, die sich ihren Körper wieder neu erschafft.


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