Esoterik

Jeder glaubt heute zu wissen, was „Esoterik“ ist – und doch scheiden sich an diesem Begriff buchstäblich die Geister. Ursprünglich stammt das Wort „esoterikos“ aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „der innere Kreis“, im Gegensatz zu „exoterikos“, was „der äußere Kreis“ bedeutet. Hierbei wird an die typische Vorstellung appelliert, dass jede menschliche Gemeinschaft oder Gruppe verschiedene Gruppenmitglieder hat; diejenigen, die Außen an der Periphere stehen und nicht alles miterleben und die, die im Zentrum stehen und die so genannten Insider sind. Diesen Insidern ist seit jeher ein besonderer Zugang zur Macht und daher auch zu bestimmten Informationen zu Eigen – das gilt für alle Bereiche des sozialen Lebens, von der Wirtschaft über die Gruppenbildung in der Politik bis hin in die Religion und die Religionsgemeinschaften oder Geheim-Gesellschaften. Vor allem im letzteren Zusammenhang spricht man aber gern von „Esoterik“, wenn man religiöses Geheimwissen meint, welches nicht oder noch nicht allen Menschen zugänglich ist.
Mittlerweile wird das Wort Esoterik jedoch sehr vielfältig verwendet und inhaltlich weiter interpretiert, als das in der Geschichte je der Fall war – alles sei Esoterik, vom Kartenlegen über das Aura-Sehen bis zur Kommunikation mit Engeln. Tatsächlich werden in einer so weit gefassten Definition von Esoterik die unterschiedlichsten Praktiken zusammengeführt, die nicht unbedingt miteinander verbunden sind. So ist die Kunst der Orakel mit Karten oder Tarot zum Beispiel eine alte Technik, die nicht unbedingt esoterisch ist, denn ihre Methoden sind bekannt und jeder kann sie lernen und mit etwas Fleiß und Begabung auch ausüben. Auch die so genannten antiken Weisheitslehren wie die Astrologie, die Karma-Lehre der Inder, die hebräische Kabbalah und andere sind heute im Zeitalter der Computertechnik nicht mehr „esoterisch“ im Sinne von unzugänglichem Eingeweihten-Wissen, sondern überall per Internet abrufbar. In diesem neuen Verständnis von Esoterik ist unser Informationszeitalter wahrlich kein Platz für separate Geheimlehren, die dem sucherfahrenen Normalbürger nicht zugänglich wären. Heute muss man lediglich in den Online-Quellen nachschlagen, um esoterisches Wissen zu finden, das früher jahrelanges Studium vorausgesetzt hat – doch faszinierend bleibt der alte „innere Kreis“ des Wissens, der zunehmend größer wird, dennoch.


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